Oder: Samen- und Kräuter-Madness ∼
Lang schon stand auf meiner Liste: ein Besuch bei den zwei Vorzeige-Betrieben Arche Noah in Schiltern und Sonnentor in Sprögnitz. Zugegeben, nicht ganz aus dem Blauen heraus, denn ich habe meine Abschlussarbeit zur Diplomierten Kräuterpädagogin zum Thema „Saatgut“ verfasst und bin damals schon tiefer in die Beobachtung der Bemühungen dieser beiden Betriebe eingetaucht. Unter anderem darf ich mich auch geehrt fühlen, dass Johannes Guttmann, der Gründer von Sonnentor, meine Diplomarbeit mit einem Experten-Interview bereichert hat. Und Arche Noah ist für mich schon lange der Inbegriff von hochwertigem Saatgut und wichtiger Akteur im Kampf für die Erhaltung der Vielfalt.
Hier gibt’s nun also eine kurze Vorstellung der beiden Betriebe auf meiner Fahrt in den Osten (von Salzburg aus gesehen 😉
Arche Noah, Schiltern
“Wer die Saat hat, hat das Sagen.” – Sprichwort
Für die Vielfalt!
Arche Noah, ja – das impliziert schon so manches. Da tun sich Bilder auf von Tieren und allerlei Lebewesen… bei dieser Arche Noah geht es allerdings eher um Pflanzen, genauer gesagt deren Erhaltung und Samen.
Der Verein, der bereits seit 28 Jahren existiert, setzt sich für den Erhalt und die Entwicklung der Kulturpflanzenvielfalt ein. Entstanden durch die Initiative von Gärtnern, Bauern und Journalisten, die sich dem Thema Saatgut nach wie vor auf vielfältige Weise widmen, zählt der Verein mittlerweile über 14.000 Mitglieder und Förderer. Durch deren Unterstützung kann das kostbare Erbe aufrechterhalten und geschützt werden.
Denn Gentechnik, Saatgut-Monopole, Klimawandel und Kriege gefährden dieses Gut fortwährend. Aber natürlich gingen auch durch die Industrialisierung der Landwirtschaft viel Sorten verloren. Man schätzt, dass mittlerweile bereits 3/4 der Kulurpflanzen verschwunden sind. Kein Wunder also, dass unser Nahrungsbedarf zu 95% mit nur 30 Arten gedeckt wird; davon erhalten wir mehr als die Hälfte unserer Nahrungsenergie aus nur drei Arten: Weizen, Mais und Reis (vgl. Benzhaf, Saatgut. Wer die Saat hat, hat das Sagen, 2016, S. 32). Daher ist eine weitere Bemühung von Arche Noah, traditionelle und seltene Gemüse-, Obst- und Getreidesorten wieder in die Gärten und auf den Markt zu bringen.
Das Arche Noah Samenarchiv umfasst derzeit ca. 5.500-6.000 verschiedene Kulturpflanzensorten. Hauptaufgabe des Samenarchivs ist es, den Bestand gefährdeter Pflanzenarten und –sorten zu erhalten. Wie das geht? Durch sachgerechte Lagerung und regelmäßigen Anbau von Vermehrungsmaterial – und das komplett unter Beibehaltung der ursprünglichen genetischen Formierung (egal, ob gute oder schlechte Eigenschaften!). Natürlich will das Samenarchiv auch über wichtige oder weniger bekannte Nutzpflanzen informieren und Saatgut zugänglich machen.
Übrigens: Im Jahr 2014 wurde der “Traditionelle Samenbau und Saatgutgewinnung” von der UNESCO zum ImmateriellenKulturerbe Österreichs erklärt. Die Arche Noah durfte sich in diesem Jahr gemeinsam mit 8 anderen Traditionen in Österreich über diese Auszeichnung freuen.
Nostalgie neben Zukunftsstiftung – Der Schaugarten
Im Arche Noah Schaugarten in Schiltern werden jedes Jahr 500-900 fast verloren gegangene Kulturpflanzen (Gemüse, Kräuter, Acker- und Feldfrüchte) angebaut und vom Samenkorn zum Samenkorn vermehrt – und dadurch in ihren Eigenschaften weiter entwickelt. Denn: die Beste Erhaltung von Samen ist der Anbau. Nur so kann sich das Saatgut an die ständig wechselnden Bedingungen anpassen.
Der Arche Noah Schaugarten ist eigentlich ein barocker Schlossgarten (des Schilterner Schlosses), was auch klar erkennbar durch die absolute symmetrische Anlage des Areals ist. Geschmückt wird der Garten auch durch den erhabenen historischen Pavillon. Bis dato hatte ich das schmucke Stück immer nur auf Bildern gesehen und nicht so ganz daran geglaubt, dass er wirklich existiert – nun konnte ich mich endlich selbst überzeugen und war hin und weg davon!
Im Schaugarten befinden sich mehr als 40 verschiedene Themenbeete, in denen die Sorten zur Vermehrung ausgebracht werden. Im Prinzip kann die Unterteilung der angebauten Kulturpflanzen so unterteilt werden:
– Sorten aus der Region (Lokalsorten, das Herz der Arche Noah)
– Raritäten und Kuriositäten aus aller Welt (exotischere Sorten)
– Vergessene Gemüsearten (historische Kulturpflanzen, die von anderen Arten verdrängt wurden, wie zum Bsp. Spinat anstelle von Gartenmelde, Karotte anstelle von Pastinak, etc.)
Auf diesem Bild hier ist sozusagen die historische Entwicklung des Salates zu sehen. Man geht nämlich davon aus, dass sich der Salat erst durch den Anbau in kälteren Regionen in die klassische Kopf-Form entwickelt hat. In der Mitte ist der Lattich zu erkennen, der ja als Urform des Salates gilt. Überhaupt wird bei der Gestaltung der Beete sehr darauf geachtet, dass die Darstellung nicht nur lehrreich ist, sondern auch sehr ansprechend angelegt wird.
Auffallend sind die Isoliertunnel, in denen Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen vermehrt werden können und so nicht äußeren Einflüssen ausgesetzt sind (z.B. Übertragung fremder Pollen durch Wind oder Insekten). Spezielle Insekten werden darin platziert und finden dort eine Art Mikrokosmos vor (sie erhalten Nahrung, nehmen die Bestäubung der Pflanzen vor, etc.).
Interessant sind auch die Mischkulturen, bei denen Pflanzen jeweils in 3-er Reihen nebeneinander gesetzt werden – und zwar solche Pflanzen, die sich gegenseitig begünstigen. Zum Beispiel kann so eine 3-er Reihe lauten: 1 Reihe Karotten, 1 Reihe Zwiebeln und die dritte Reihe mit Klee (der bringt wieder Stickstoff in den Boden). Oder Bohnen, Kohlrabi und Klee. Im nächsten Jahr sollte die 3er Reihe einfach auf die nächsten 3er Bahn versetzt werden, so können sich die Pflanzen wieder die Nährstoffe aus dem Boden holen, die sie brauchen (denn jede Pflanze holt sich unterschiedliche Stoffe aus dem Boden; durch die Versetzung werden dem Boden so nicht ständig die gleichen Nährstoffe entzogen).
Außerdem gibt es eine ganze Abteilung mit Kräutern der Traditionell Europäischen Medizin mit jeweils speziellen Unterthemen, unter anderem:
- Frauenkräuter (wie z.B. Frauenmantel, Frauenwurzel, Traubensilberkerze, Diptam, Storchschnabel, Alant, Liebstöckel, Greiskraut, Rainfarn, Rotklee, Mönchspfeffer, etc.)
- Magen-/Darm-Kräuter (Bertram, Eberraute, Wermut, Beifuß, Glockenblume, Tausendgüldenkraut, Fenchel, Gelber Enzian, Andorn, Flohsamen, Balsamkraut, etc.)
- Pflanzliche Antibiotika (Schafgarbe, Odermennig, Bärentraube, Schwarznessel, Mädesüß, Habichtskraut, Ysop, Kamille, Meisterwurz, Spitzwegerich, Echtes Eisenkraut, etc.)
- Kräuter zur Immunstärkung oder Entschlackung (Engelwurz, Tragant, Byzantinischer Kerbel, Zistrose, Sonnenhut, Knopfkraut, Bruchkraut, Witwenblume, Kresse, Mariendistel, Goldrute, Ehrenpreis, etc.)
- Kräuter für Haut & Muskeln (Parakresse, Wiesen-Arnika, Ringelblume, Leindotter, Glockenblume, Eberwurz, Rauke, Fünffingerkraut, Ackersenf, Beinwell, Mutterkraut, Veilchen, etc.)
- natürliche Psychopharmaka (Hundszunge, Hopfen, Tüpfeljohanniskraut, Speik-Lavendel, Steinklee, Klatschmohn, Rosenwurz, Helmkraut, Heilziest, Baldrian, etc.)
Es werden auch Pflanzen vorgestellt, die sich besonders dafür eignen, selbst Dünger herzustellen und man kann auch einen Blick auf den riesigen Komposthaufen werfen. Daneben gibt es neuerdings auch eine kleine Vorstellung von Pilzen, die Baumstämmen eingepflanzt wurden und so ebenfalls ganz easy herangezogen werden können.
Hinter dem Pavillon, der übrigens auch als Gartenbuch-Bibliothek dient, lockt die historische Streuobstwiese zum Streifzug durch alte Obstbäume mit seltenen Lokalsorten ein. Vielleicht habt ihr ja Glück und die ersten Früchte sind schon reif, dann darf man natürlich auch ein bisschen naschen… 😉
Ebenfalls auf der Rückseite des Pavillons lädt die Gartenküche zum Verweilen und Verkosten von verschiedenen Köstlichkeiten, die allesamt regional, saisonal und bio sind und natürlich auch mit Produkten aus dem Arche Noah Anbau zubereitet werden. Eine Brennessel-Limo und ein Hanf-Bier durften hier zur Erfrischung natürlich nicht fehlen 😉
Und natürlich kann man auch jede Menge an Samen mitnehmen – wer die Wahl hat, hat die Qual. 😉
Weitere Infos findet ihr auch auf der Homepage von Arche Noah:
https://www.arche-noah.at/schaugarten
Sonnentor, Sprögnitz
„Gegen Arbeitslosigkeit sind 1000 Kräuter gewachsen.“ – Sonnentor
Sonne, Wald und Kräuter.
Ja , da ist es – das Waldviertel! Genau da. Wir sind mittendrin. Sonnentor. Habt ihr euch auch schon manchmal gefragt, wie man in der Namensgebung einer Firma eigentlich auf Sonnentor kommt? Die Erklärung ist ganz easy: Im Waldviertel gibt es viele Höfe, deren Tore mit einer strahlenden Sonne geziert sind, sogenannte Sonnentore. Im Mittelalter war dies nämlich Ausdruck dafür, dass der Bauer keinem Gutsherrn unterstand, sondern selbständig wirtschaften konnte. Somit ist dieses Symbol der Freiheit und Selbstbestimmtheit auch heute noch ein wichtiges Grundprinzip in der Philosophie von Sonnentor, die übrigens heuer ihr 30-jähriges Bestehen feiern. Also: Wer am 15. August noch nichts vor hat, der sollte sich den Termin unbedingt fett im Kalender markieren und frei halten!
Mit mittlerweile mehr als 900 verschiedenen Produkten hat sich Sonnentor mit seinen Kräutern, Tees, Gewürzen, Keksen sowie Kaffee und sogar ätherischen Ölen am heimischen und internationalen Markt manifestiert.
In enger Verbundenheit mit hunderten von Bauern aus Österreich und Deutschland und mittlerweile auch darüber hinaus (Rumänien, Albanien, Nicaragua, Tansania, Spanien, Kosovo) wird großer Wert auf direkten Handel gelegt und versucht, Zwischenhändler zu meiden. So stammen 80% der Produkte aus direktem Handel mit den Anbauern. Insgesamt zählt Sonnentor aktuell bereits um die 400 Mitarbeiter.
Nachhaltigkeit wird bei Sonnentor überhaupt ganz groß geschrieben, denn alle Prozesse werden als einziger Kreislauf verstanden. Klar also, dass Sonnentor absolut auf Pestizide und Handelsdünger sowie Palmöl verzichtet, CO2 neutral wirtschaftet, Arbeitsplätze schafft und auf recyclebare und kompostierbare Verpackungen achtet. Logisch auch, dass Sonnentor nach dem Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie wirtschaftet – und das eigentlich schon, bevor es das Wort gab… 😉
Bei einem Rundgang bei Sonnentor kann man so einiges sehen und lernen. Wer bei der geführten Betriebs-Tour mitgehen möchte, der startet mit einer kurzen generellen Einführung über Sonnentor vor einem beeindruckenden Apotheker-Schrank, der seinen Weg aus Graz ins Waldviertel fand. Ja, so einen hätte ich auch gerne mal…
Weiter geht es zur kurzen Verkostung von Tee und Knabbereien und einem kurzen Film über Sonnentor. Köstlich und interessant zugleich! Diese Fülle an Farben und Düften – einfach herrlich!
Und schon kann’s zu den unzähligen Regalen gehen, die bis zur Decke hin mit Kräutern gefüllt sind. Beeindruckend – da müssen schon sehr viele Hände zusammen helfen, um diese Ernte einzubringen! Und Oma Zach (Kräuterbäuerin der ersten Stunde) schaut, dass hier eh alles mit rechten Dingen zugeht… 😉
Vorbei am schicken Retro-Gebläse-Trenner (hier werden unerwünschte Bestandteile von den erwünschten leichteren getrennt) geht’s in Richtung Verpackung. Unglaublich: Hier werden alle Tees und Gewürze noch in Handarbeit abgepackt und etikettiert, die losen Kräutertees sogar per Hand abgefüllt– das ist auch erkennbar an der extra platzierten Blume im Sichtfenster der Verpackung.
Und schon sind wir beim Lager und am „Online-Shop“ angelangt, von wo aus die Sonnentor-Produkte in über 50 Länder versandt werden.
Natürlich kommt man anschließend im Shop nur schwer vorbei, ohne nicht noch seine Vorräte aufzustocken oder nette Geschenke mitzunehmen. Also schön langsam verliert man wirklich den Überblick bei der Anzahl an Produkten…
Aber auf dem Sonnentor-Areal ist noch viel mehr zu entdecken: Der Freihof etwa, der sich ganz dem Thema der Permakultur widmet (hierfür gibt es auch extra Führungen) oder auch das sehr gelungene neue Bio-Gasthaus Leibspeis, in dem tolle Kreationen kredenzt und individuell mit sämtlichen Gewürzen verfeinert werden dürfen.
Auch ganz neu sind die beiden mobilen Land-Lofts, in denen in teilautarker Manier sogar übernachtet werden kann. Sozusagen ein Bett im Kräutergarten. Ein Traum!
Alles rund um Sonnentor findet ihr natürlich hier:
https://www.sonnentor.com/de-at
-> Und? Seid ihr auf den Geschmack gekommen? Ein Besuch bei Arche Noah und Sonnentor lohnt sich auf jeden Fall! Und wenn ihr schonmal in der Gegend seid, könnt ihr gleich noch weiter östlich düsen…
So hat auch mich meine kleine Tour dann noch weiter geführt – und zwar ins Weinviertel, wo ich plötzlich bei einem Hanf-Feld vorbei kam. Zuerst hab ich meinen Augen nicht ganz trauen können, aber dann hat sich natürlich raus gestellt, dass es sich hier ja um Cannabis sativa (THC-Gehalt unter 0,2 mg) handelt, der seit dem EU-Beitritt 1995 wieder angebaut werden darf.
Hanf ist ja in mehrfacher Hinsicht eine wirklich interessante Pflanze: aus ernährungsphysiologischer Sicht kann folgendes festgehalten werden:
– weist hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und Gamma-Linolensäure auf
– ist immunstärkend und
– hat ein hochwertiges Aminosäurenprofil
Hanf findet so in Form von Öl, Mehl, Proteinpulver und geschälten oder ungeschälten Hanfnüssen Verwendung.
Das bezieht sich vorwiegend auf das Hanfkorn bzw. die Samen. In puncto Werkstoff kann sich die widerstandsfähige Pflanze aber ebenso blicken lassen: Als Faserpflanze erfüllt Hanf ökologische und ökonomische Kriterien und wird somit auch als Baustoff für Dämmungen oder auch in der Papierindustrie verwendet.
Soweit wieder mal von mir. Viel Spaß, falls ihr die Tour auf eigene Faust wiederholt, es ist wirklich eine tolle Ecke Österreichs!
Hinweis:
Die Berichterstattung erfolgt nicht im Auftrag der genannten Betriebe, sondern entstand lediglich aus Eigeninteresse der Autorin. *unbezahlte Werbung
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